zaterdag 2 mei 2015

In Nepal gilt für Israel - "Keiner darf zurückbleiben" (Die Welt)

 

In Nepal gilt für Israel – "Keiner darf zurückbleiben"

http://www.welt.de/vermischtes/article140238964/In-Nepal-gilt-fuer-Israel-Keiner-darf-zurueckbleiben.html

Die ersten Helfer nach dem Erdbeben in Nepal kommen aus Israel. Erstaunlich, wo das Land doch so klein ist. Grundlage für ihren Einsatz ist die Bedrohungslage in der eigenen Heimat.

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Von Thore Schröder,Tel Aviv

 

Foto: REUTERS  Mehr als ein Dutzend von Leihmüttern in Nepal ausgetragene Babys sind von Kathmandu nach Israel ausgeflogen worden

 

Für Entsetzen blieb nach dem Eintreffen fast keine Zeit. Zu groß ist die Not in Nepal nach dem schweren Erdbeben, das möglicherweise bis zu 10.000 Todesopfer gefordert hat. "Viele Häuser haben sich einfach aufgelöst", sagte ein Helfer. Die Zahl der Toten und Verletzten sei unvorstellbar.

"Wir haben Kinder mit Bauch- und Brustwunden behandelt und sehr viele gebrochene Arme und Beine. Und wir haben viel genäht, Verletzungen an Ohren, Augen und Gesichtern. Hier ist es nicht hygienisch und nicht sauber, aber was sollen wir machen? Das ist nun mal das Einsatzgebiet, in dem wir arbeiten müssen", berichtete die Rettungsassistentin Ravit Martinez der "Times of Israel", nachdem sie mit einer Delegation des israelischen "Magen David Adom" (Roter Davidstern) in Kathmandu gelandet war.

Die Israelis gehören zu den ersten Helfern vor Ort. 270 Soldaten, Mitarbeiter des Außenministeriums, Ärzte und andere medizinische Kräfte sind bis Dienstag in dem südasiatischen Staat gelandet. Sieben Flugzeuge haben insgesamt mehr als 90 Tonnen Ausrüstung und Hilfsgüter aus Tel Aviv in die nepalesische Hauptstadt gebracht. Nachdem die medizinischen Helfer zunächst in den lokalen Kliniken behandelt haben, sind sie nun dabei, in der schwer zerstörten Hauptstadt Kathmandu ein Feldlazarett aufzubauen. Darin sollen dann täglich bis zu 200 Patienten versorgt werden.

Israelis sind immer schnell zur Stelle

Die Israelis gehören zu den wichtigsten ausländischen Helfern in Nepal, was umso bemerkenswerter ist, wenn man die mit acht Millionen Einwohnern relativ geringe Größe des jüdischen Staats bedenkt. Es ist nicht das erste Mal, dass die Helfer aus dem Nahen Osten besonders schnell vor Ort sind. 2013 war das so auf der philippinischen Insel Tacloban, wie auch nach dem Erdbeben 2010 auf Haiti.

Foto: REUTERS  Soldaten der israelischen Armee bereiten sich auf den Einsatz in Nepal vor

 

"Wir haben in den vergangenen 20 Jahren insgesamt 17 Delegationen in die Welt entsendet", sagt Major Arye Sharuz Shalicar, Sprecher der Israelischen Streitkräfte (IDF) der "Welt". Entscheidend für die schnelle Hilfe ist eine Militärinstitution, deren wichtigste Aufgabe eigentlich der Schutz und die Versorgung der Zivilbevölkerung im Landesinnern ist. Das "Home Command" wurde vor rund 20 Jahren aufgebaut, um auf Terrorattacken oder Raketenangriffe zu reagieren. Es koordiniert den Einsatz ziviler und militärischer Kräfte, es verfügt über Einsatzpläne, Material und Personal im Ernstfall. Egal welcher Art.

Dazu gehört nicht zuletzt die Rettung der eigenen Landsleute im Ausland, wobei sich die IDF mit dem Außenministerium koordiniert und auch auf zivile Flugzeuge zurückgegriffen werden kann. Am Dienstag landeten 229 Israelis mit einem El-Al-Flugzeug auf dem Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv. "Der Flug wurde immer wieder verschoben, aber wir wussten, dass sie uns helfen werden", sagte der gerettete Vater Eran Cohen nach der Landung dem Newsportal "Walla".

Israelische Leihmütter-Babys wurden in Sicherheit gebracht

Bereits am Montag war ein kleineres Flugzeug, in dem auch fünf neugeborene Babys von Leihmüttern und israelischen Vätern saßen, auf dem Flughafen Sde Dov in Tel Aviv gelandet. Israel erlaubt den Einsatz von Leihmüttern nur heterosexuellen Paaren, weshalb zahlreiche Homosexuelle über Agenturen nach Frauen für die Schwangerschaft ihrer Kinder in Südasien suchen und in Nepal fündig werden.

Nachdem am Montag noch 50 Israelis in Nepal vermisst wurden, waren es am Dienstag nur noch elf Personen, zu denen noch kein Kontakt aufgenommen werden konnte. Die Suche nach ihnen wird geführt von der Search-and-Rescue-Einheit der IDF, deren Soldaten an ihren orange Baretts zu erkennen sind.

"Unser Einsatz hat zwei Seiten: Einerseits wollen wir die Israelis, die in Nepal in Gefahr sind, finden, retten und zurück in die Heimat bringen. Gleichzeitig bauen wir das Feldlazarett auf, um den Nepalesen in ihrer Not zu helfen", sagte Premierminister Benjamin Netanjahu.

Rettung gehört zur Volkspsychologie

Der Einsatz für die eigenen Landsleute gehört zum Selbstverständnis des jüdischen Staats. Die Institutionen sind nicht nur für den Fall von Naturkatastrophen darauf vorbereitet. Der bekannteste Fall einer solchen Mission ereignete sich 1976 in Entebbe (Uganda), wo ein Spezialkommando der Sicherheitskräfte die einwöchige Entführung eines Passagierflugzeugs der Air France durch palästinensische und deutsche Terroristen beendete und 102 Geiseln befreite.

"Ich weiß von keinem anderen Land, dass zur Rettung seiner Landsleute, auch bei Naturkatastrophen, solche Anstrengungen unternimmt", sagt Dr. Oded Eran, Sicherheitsexperte am Institute for National Security Studies in Tel Aviv (INSS) der "Welt". Neben dem logistischen Aspekt gebe es einen moralischen: "Dass mir meine Regierung zu Hilfe kommt, wenn ich in Not bin, gehört zur israelischen Volkspsychologie: Keiner darf zurückbleiben." Dieses Verständnis geht so weit, dass von der Militärführung erwartet wird, nicht nur entführte oder gefangene Soldaten zurückzuholen, sondern auch die sterblichen Überreste von Gefallenen.

Emmanuel Nahschon, Sprecher des Außenministeriums, fasst es so zusammen: "Wir verlangen sehr viel von unseren Bürgern, deshalb können sie von uns auch erwarten, dass wir für sie alles tun, was wir können."

 

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